Vertrauliche Kommunikation zwischen Mandant und Rechtsanwalt umfasst nicht den Syndikus

Drucken

Vertrauliche Kommunikation zwischen Mandant und Rechtsanwalt umfasst nicht den Syndikus

Montag, 10 Januar, 2011

Im Rahmen eines Katellverfahrens gab die Europäische Kommission der Akzo Nobel Chemicals auf, Nachprüfungen zu dulden, mit denen Beweise für etwaige wettbewerbswidrige Praktiken beschafft werden sollten. Diese Nachprüfung wurde von Bediensteten der Kommission mit Unterstützung von Vertretern des Office of Fair Trading (OFT, britische Wettbewerbsbehörde) in den Geschäftsräumen von Akzo Nobel und Akcros im Vereinigten Königreich durchgeführt. Bei der Prüfung der beschlagnahmten Unterlagen entstand eine Meinungsverschiedenheit u. a. über zwei schriftliche Kopien von E-Mails zwischen dem leitenden Geschäftsführer und dem Koordinator von Akzo Nobel für das Wettbewerbsrecht, einem in den Niederlanden zugelassenen Rechtsanwalt, der der Rechtsabteilung von Akzo Nobel angehörte und im Angestelltenverhältnis in diesem Unternehmen stand. Nach Durchsicht dieser Unterlagen gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass diese Unterlagen nicht durch die Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant geschützt seien.

In einem nachfolgenden Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof hat sich dieser im Urteil zum Geltungsbereich des Anwaltsgeheimnisses geäußert und entschieden, dass dieser vom gleichzeitigen Vorliegen zweier Voraussetzungen abhängt. Zum einen muss der Schriftwechsel mit dem Rechtsanwalt mit der Ausübung des „Rechts des Mandanten auf "Verteidigung“ in Zusammenhang stehen und zum anderen muss es sich um einen Schriftwechsel handeln, der von „unabhängigen Rechtsanwälten“ ausgeht, d. h. von „Anwälten …, die nicht durch einen Dienstvertrag an den Mandanten gebunden sind“. Zu dieser zweiten Voraussetzung führt der Gerichtshof in seinem Urteil aus, dass die Anforderung, dass der Rechtsanwalt einen unabhängigen Status haben muss, auf einer Vorstellung von seiner Funktion als eines Mitgestalters der Rechtspflege beruht, der in völliger Unabhängigkeit und in deren vorrangigem Interesse dem Mandanten die rechtliche Unterstützung zu gewähren hat, die dieser benötigt. Demnach setzt das Erfordernis der Unabhängigkeit das Fehlen jedes Beschäftigungsverhältnisses zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten voraus, so dass sich der kraft des Grundsatzes der Vertraulichkeit gewährte Schutz nicht auf den unternehmens- oder konzerninternen Schriftwechsel mit Syndikusanwälten erstreckt. Nach Auffassung des Gerichtshofs genießt ein Syndikusanwalt trotz seiner Zulassung als Rechtsanwalt und der im auferlegten standesrechtlichen Bindungen nicht denselben Grad an Unabhängigkeit von seinem Arbeitgeber wie der in einer externen Anwaltskanzlei tätige Rechtsanwalt. Ungeachtet der geltenden Berufsregelung kann der Syndikusanwalt, über welche Garantien er bei der Ausübung seines Berufs auch immer verfügt, nämlich deshalb nicht einem externen Rechtsanwalt gleichgestellt werden, weil er sich in der Situation eines abhängig Beschäftigten befindet, die es naturgemäß nicht zulässt, dass er von seinem Arbeitgeber verfolgte Geschäftsstrategien außer Acht lässt, und die dadurch seine Fähigkeit, in beruflicher Unabhängigkeit zu handeln, in Frage stellt. Im Übrigen kann der Syndikusanwalt zur Erfüllung anderer Aufgaben verpflichtet sein, etwa, wie im vorliegenden Fall, der des Koordinators für das Wettbewerbsrecht, die Auswirkungen auf die Geschäftspolitik des Unternehmens haben können. Solche Aufgaben können aber die engen Bindungen des Rechtsanwalts an seinen Arbeitgeber nur verstärken.

Demnach genießt der Syndikusanwalt aufgrund sowohl seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit als auch der engen Bindungen an seinen Arbeitgeber keine berufliche Unabhängigkeit, die der eines externen Rechtsanwalts vergleichbar ist. (Urteil in der Rechtssache C-550/07 P Akzo Nobel Chemicals Ltd / Kommission)