Unerlaubte Telefonwerbung „Cold Calling“

Drucken
Paragraphen

Unerlaubte Telefonwerbung „Cold Calling“

Dienstag, 12 November, 2013

1. Allgemeines

Versuchen Unternehmer, ihre Kunden durch unaufgeforderte Anrufe zum Kauf von Produkten zu bewegen (sogenanntes „Cold Calling“), verstoßen sie damit grundsätzlich gegen die Bestimmung des § 107 Telekommunikationsgesetz (TKG). Diese Bestimmung schützt Verbraucher vor unerwünschter Werbung in Form von Anrufen, Fax, SMS, E-Mails und unerbetenen Nachrichten im Allgemeinen. Zulässig sind derartige Anrufe zu Werbezwecken oder Zusendungen von Nachrichten nämlich nur bei Vorliegen einer Einwilligung des angesprochenen Teilnehmers.

§ 107 Abs 1 TKG besagt: Anrufe - einschließlich das Senden von Fernkopien - zu Werbezwecken ohne vorherige Einwilligung des Teilnehmers sind unzulässig. Trotz dieser Bestimmung beschweren sich zahlreiche Konsumenten tagtäglich, dass sie mit Werbeanrufen belästigt werden und versucht wird, ihnen Gewinn- und Lotteriedienstleistungen sowie Mobilfunk- und Festnetzverträge unterzuschieben. Oftmals werde vom Unternehmer behauptet, der Kunde habe eingewilligt und könne sich nur nicht mehr daran erinnern.

2. Herrschende Rechtsprechung

Der Oberste Gerichtshof hat schon vor dem Inkrafttreten des TKG 1997 unerbetene Telefonanrufe zu Werbezwecken („Cold Calling") als unzumutbare, mit den guten Sitten im Geschäftsverkehr nicht zu vereinbarende Belästigung und daher gegen § 1 UWG verstoßend beurteilt. Eine allenfalls erteilte Einwilligung zu Werbeanrufen kann vom Konsumenten jederzeit widerrufen werden.

Da die Bestimmung des § 107 TKG dem Schutz der Privatsphäre dient, wird der Begriff der „Werbung“ in Judikatur und Vollziehung sehr weit ausgelegt. Er umfasst neben der Werbung für Produkte auch solche für bestimmte Ideen oder politische Anliegen und Spendenanrufe von NGOs.

3. Verstoß gegen das UWG

Der Oberste Gerichtshof hat in einer Reihe von Entscheidungen ausgesprochen, dass „Die Werbung durch unerbetene telefonische Anrufe bei Privatpersonen, um Geschäftsabschlüsse anzubahnen, insbesondere Waren oder Leistungen anzubieten ist daher grundsätzlich wettbewerbswidrig, es sei denn, dass der Angerufene zuvor ausdrücklich oder stillschweigend sein Einverständnis erklärt hat, zu Werbezwecken angerufen zu werden.“ Unerbetene Werbeanrufe stellen sohin, sofern keine Einwilligung des Angerufenen besteht, einen Verstoß gegen § 1 UWG dar.

4. Schutz des Verbrauchers nach dem Konsumentenschutzgesetz (KschG)

Gemäß § 5e Abs 1 KschG kann der Verbraucher von einem im Fernabsatz geschlossenen Vertrag oder einer im Fernabsatz abgegebenen Vertragserklärung bis zum Ablauf bestimmter gesetzlich normierter Fristen zurücktreten. Es genügt dabei, wenn die Rücktrittserklärung innerhalb der Frist abgesendet wird. Die Rücktrittsfrist beträgt nach § 5e Abs 2 KschG sieben Werktage, wobei der Samstag nicht als Werktag zählt. Sie beginnt bei Verträgen über die Lieferung von Waren mit dem Tag ihres Eingangs beim Verbraucher, bei Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen mit dem Tag des Vertragsabschlusses.

Ist der Unternehmer im Zuge des Vertragsabschlusses seinen Informationspflichten nach § 5d Abs 1 und Abs 2 KschG (Informationen über die Bedingungen und die Einzelheiten der Ausübung des Rücktrittsrechts; Informationen über den Kundendienst und die geltenden Garantiebedingungen sowie bei unbestimmter oder mehr als einjähriger Vertragsdauer Informationen über die Kündigungsbedingungen) nicht nachgekommen, so beträgt die Rücktrittsfrist drei Monate ab eingangs genannten Zeitpunkten. Kommt der Unternehmer seinen Informationspflichten innerhalb dieser Frist nach, so beginnt mit dem Zeitpunkt der Übermittlung der Informationen durch den Unternehmer die eingangs genannte Frist zur Ausübung des Rücktrittsrechts.

Für Dienstleistungsverträge, die im Rahmen eines unzulässigen Anrufs zustande kommen, wird der Beginn der Rücktrittsfrist in § 5e Abs 5 KschG besonders geregelt. Die Frist beginnt erst, wenn der Unternehmer mit der Leistungserbringung beginnt oder, wenn noch keine Rechnungslegung erfolgte, ab dem Zeitpunkt der Zustellung der Rechnung an den Verbraucher zu laufen.

Gemäß § 5f Abs 2 KSchG steht dem Verbraucher auch ein Rücktrittsrecht für Verträge über Freizeitdienstleistungen sowie über Abonnements über Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten zu, sofern der Abschluss im Rahmen eines unerbetenen Werbeanrufes erfolgte.

„Cold Calling“-Verträge im Zusammenhang mit Gewinnzusagen und Wett- und Lotteriedienstleistungen sind zudem gemäß § 5e Abs 4 KSchG generell nichtig. Auf die Ungültigkeit kann sich dabei nur der Verbraucher berufen. Für Leistungen, die der Unternehmer trotz der Nichtigkeit des Vertrages erbracht hat, steht ihm kein Entgelt und keine Wertminderung zu. Bereits vom Unternehmer entgegengenommene Zahlungen oder Leistungen des Konsumenten kann der Verbraucher vom Unternehmer zurückfordern.

5. Werbeanrufe aus dem Ausland

Erfolgt eine Übertretung der Bestimmungen des § 107 TKG durch Anrufe oder elektronische Post aus dem Ausland, so sieht § 107 Abs 6 TKG eine klare Tatortfiktion vor. Verwaltungsübertretungen gelten in diesem Fall als an jenem Ort begangen, an dem die unerbetene Nachricht den Anschluss des Empfängers erreicht. Das heißt, sofern der Empfänger in Österreich ansässig ist, liegt bei unerwünschten Werbeanrufen durch ausländische Unternehmen auch ein Verstoß gegen § 107 TKG vor.

6. Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 107 TKG

6.1 Verwaltungsrechtliche Rechtsfolgen

Bei einem Verstoß gegen § 107 TKG droht dem Unternehmen, welches unerlaubte Werbeanrufe durchführt, gemäß § 109 Abs 4 Z 8 TKG einer Geldstrafe von bis zu € 58.000,00. Bei Übertretung der Bestimmungen des § 107 Abs 1a TKG oder jenen zur elektronischen Post gemäß § 109 Abs 3 Z 20 TKG eine Strafe bis zu € 37.000,00.

Zuständig zur Vollziehung etwaiger Strafen wegen Verstöße gegen das TKG sind gemäß § 113 Abs 3 TKG die Fernmeldebehörden. Zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit der einzelnen Fernmeldebehörden wird bei Festnetzanschlüssen auf den Ort des Anschlusses des Empfängers bzw Konsumenten abgestellt. Bei Anrufen am Mobiltelefonen des Konsumenten stellt das Fernmeldebüro für Steiermark und Kärnten bei natürlichen Personen ebenso auf den Wohnsitz als Tatort ab, da der Aufenthaltsort des Konsumenten zum Zeitpunkt des Anrufes nur schwer zu ermitteln ist.

6.2 Zivilrechtliche Rechtsfolgen

Neben den verwaltungsrechtlichen Rechtsfolgen, können Mitbewerber des Unternehmens, welches unerlaubte Werbeanrufe vornimmt, gegen dieses einen Unterlassungsanspruch nach dem UWG wegen sittenwidrigem Rechtsbruch geltend machen. Auch dem Konsumenten steht ein Unterlassungsanspruch nach den §§ 16, 354 ABGB zu.