Schadenersatz für Beratungsfehler der Bank und Wertpapierhändler

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Schadenersatz für Beratungsfehler der Bank und Wertpapierhändler

Donnerstag, 7 Oktober, 2010

In jüngster Zeit haben einige Sparer durch die Vermögensveranlagung bei österreichischen Banken sehr hohe Kursverluste erlitten, was insbesondere bei der Veranlagung in Immobilienpapieren wie Meinl und Immofinanz dramatische Ausmaße angenommen hat. Für diese Sparer stellt sich die nahe liegende Frage, inwieweit die Bank, die ihnen solche Immobilienpapiere verkauft haben, für Schäden, die durch Kursverluste entstehen, aufzukommen haben. Dabei geht es grundsätzlich um die Frage, wann eine Fehlberatung vorliegt, in welcher Höhe der durch die Fehlberatung entstandene Schaden zu beziffern ist, wann die Verjährungsfristen für die Geltendmachung von Schäden beginnen und wer schlussendlich die Beweislast trägt.

 
Anlageberatung und MIFID Regeln
 
 Die österreichische Rechtslage beurteilt die Haftung von Banken für Fehler in der Vermögens Veranlagung allgemein nach dem geltenden Schadenersatzrecht und nach den speziellen Regelungen im Wertpapieraufsichtsgesetz (WAG) und Bankwesengesetz (BWG). Ein geschädigter Sparer hat sowohl den erlittenen Schaden darzustellen, als auch den Beratungsfehler der Bank nachzuweisen. Der Beratungsfehler der Bank richtet sich nach den für eine Bank vorgeschriebenen Vorschriften und Regeln im Zusammenhang mit der Beratung von Kunden, die einerseits im österreichischen Bankwesengesetz verankert sind und zuletzt auf europäischer Ebene durch die MIFID Regeln ergänzt worden sind. In einem Verfahren auf Schadenersatz wird der Sparer somit darzulegen haben, dass die Bank die Regeln über die Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit der Beratung zur Veranlagung von Geldern verletzt hat und aufgrund dieser Obliegenheitsverletzung dem Sparer in weiterer Folge ein Geldeswert er Schaden entstanden ist.
 
Das Bankwesengesetz und die MIFID Regeln schreiben vor, dass die Bank mit jedem Kunden ein ausführliches Gespräch führen muss, im Rahmen dessen die Vermögensverhältnisse des Sparers ermittelt werden, der gewünschte Anlagehorizont für den Kunden festgelegt wird und mit dem Kunden gemeinsam die Risikoklasse für die Veranlagung der Gelder festgelegt wird. Gerade die Festlegung der Risikoklasse spielt mit den Anfang des Jahres 2007 neu eingeführten MIFID Regeln eine wesentliche Rolle, da diese vorschreiben, dass mit dem Kunden gemeinsam das Risiko der einzelnen Anlageklassen erörtert wird. So müssen seit dem 1.1.2007 zum einen Festgeld und Sparbuch, sowie Staatsanleihen und Unternehmensanleihen, weiters Aktien und Private Equity, sowie schließlich Hedge Fonds und alternative Anlageformen separat ausgewiesen werden.
 
Jeder Kunde wird unabhängig von seiner individuellen Anlagepolitik somit einem Anlegertyp zugeordnet, der die grundsätzliche Ausrichtung des Kunden im Hinblick auf sein Gesamtvermögen, seine Erfahrungen und Kenntnisse und seine gesamte Veranlagung auch bei Fremdinstituten abbildet. Die Einstufung Anlegertyp (Risikobereitschaft) ist Bestandteil der gesetzlich vorgeschriebenen Erhebung und Analyse der Gesamtsituation des Kunden als Investor vor der Erbringung der Finanzdienstleistung durch die Bank, welche im Investment- bzw. Anlegerprofil durch den Kundenbetreuer erfasst wird. Die drei Risikotypen gemäß der MIFID Regeln sind konservativ, ausgewogen und dynamisch.
 
Anlageprofil
 
Erst nach einem solchen kategorisierenden Beratungsgespräch hat die Bank gemeinsam mit dem Kunden das Anlageprofil des Kunden zu erstellen und darin festzuhalten, zu welchen Prozentsätzen das Anlagevolumen in den verschiedenen Anlageklassen zu veranlagen ist. In weiterer Folge hat die Bank dann dafür zu sorgen, dass die veranlagten Gelder des Kunden insgesamt keine höhere Risikostufe aufweisen, als dies in dem gemeinsamen festgestellten Kunden Profil vorgesehen wird. Die Beurteilung setzt sich grundsätzlich aus folgenden Bestandteilen zusammen:
 
a.   Personenbezogene Informationen des Anlegerprofils
b.   Risikotyp
c.   Benchmark
d.   Reportinggruppe
e.   Zweck der Anlage
f.    Anlagehorizont
g.   Mindestanlagehorizont
h.   Mindesterfolg für Performancegebühr (Verwaltung)
      i.    gewünschter Durchschnittsertrag p.a. vor Spesen und Steuern in Prozent (Beratung)
 
Sollte die Bank in weiterer Folge Entscheidungen zur Veranlagung des Vermögens des Kunden treffen, die das Risikoprofil des Kunden verletzen, so hat die Bank eine Obliegenheitsverletzung zu verantworten, und in weiterer Folge kann die Bank auch zum Ersatz eines von Kunden erlittenen Schadens verpflichten werden.
 
Judikatur zur fehlerhaften Anlageberatung
 
Die Rechtsprechung ging bereits vor dem Inkrafttreten des WAG 1996 davon aus, dass die Bank bei Abschluss eines Effektengeschäfts auch ohne Bestehen eines besonderen Beratungsvertrags Aufklärungs- und Beratungspflichten treffen.[1] Dabei ist ein strenger Maßstab an die Sorgfalt der Bank anzulegen, denn es darf der Kunde darauf vertrauen, dass die Bank über spezifisches Fachwissen im Wertpapierhandel verfügt, aber auch darauf, dass die Bank ihn bei Abschluss und Durchführung solcher Geschäfte umfassend berät.[2]
 
Entscheidend sind einerseits die erkennbare Unerfahrenheit und Informationsbedürftigkeit des konkreten Kunden, andererseits die Art des beabsichtigten Geschäfts bzw Wertpapiers. Die am 1. 7. 1997 in Kraft getretenen „Wohlverhaltensregeln" der §§ 13 bis 15 WAG enthalten eine gesetzliche Konkretisierung der Schutz- und Sorgfaltspflichten einer Bank bei Abschluss von Effektengeschäften. Insbesondere in § 13 Z 3 und 4 WAG wird die Verpflichtung zu einer anleger- und objektgerechten Beratung festgeschrieben. So verpflichtet § 13 Z 3 WAG die normunterworfenen Rechtsträger dazu, „von ihren Kunden Angaben über ihre Erfahrungen oder Kenntnisse in Geschäften, die Gegenstand der Wertpapierleistungen sein sollen, über ihre mit den Geschäften verfolgten Ziele und über ihre finanziellen Verhältnisse zu verlangen, soweit dies zur Wahrung der Interessen der Kunden und im Hinblick auf Art und Umfang der beabsichtigten Geschäfte erforderlich ist".
 
§ 13 Z 4 WAG trägt den genannten Rechtsträgern auf, „ihren Kunden alle zweckdienlichen Informationen mitzuteilen, soweit dies zur Wahrung der Interessen der Kunden und im Hinblick auf Art und Umfang der beabsichtigten Geschäfte erforderlich ist". Die beiden Bestimmungen schreiben damit die schon bisher von der Rechtsprechung (und der Lehre) zu Effektengeschäften, insbesondere aus culpa in contrahendo, positiver Forderungsverletzung und aus Beratungsvertrag abgeleiteten Aufklärungs- und Beratungspflichten fest.[3] Die konkrete Ausgestaltung und der Umfang der Beratung ergeben sich dabei jeweils im Einzelfall in Abhängigkeit vom Kunden, insbesondere von dessen Professionalität, sowie von den ins Auge gefassten Anlageobjekten.
 
Mit § 15 WAG wurde schließlich eine ausdrückliche Haftungsnorm geschaffen, die die grundsätzliche Sicherstellung der Haftung des Rechtsträgers bei Verletzung der Bestimmungen der §§ 13 und 14 WAG auch bei leichter Fahrlässigkeit bezweckt.[4] § 15 Abs 1 WAG schafft so eine auf den allgemeinen Schadenersatzregelungen aufbauende, abgeschlossene Haftungsnorm, die eine gesetzliche Konkretisierung vor- und nebenvertraglicher Verpflichtungen enthält.
 
Verletzung von Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten
 
Bei Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten ist der Anleger grundsätzlich so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Aufklärung stünde.[5] bei der Frage, ob der Anlageberater seinen Aufklärungen und Beratungspflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist, ist stets auf den Einzelfall abzustellen. Die konkrete Ausgestaltung der Beratungspflichten, die von einer ganzen Reihe von Faktoren abhängig sind, die sich einerseits auf die Person des Kunden und andererseits auf das Anlageprojekt beziehen, hängt entscheidend von den Umständen des Einzelfalls ab.[6] Im Allgemeinen trifft die Bank oder den Wertpapierhändler gemäß der Bestimmung des § 13 Z 3 WAG die Pflicht, ein konkretes Anlegerprofil zu erstellen. In der Entscheidung OGH 9 Ob 32/08h hat der OGH darauf hingewiesen, dass ein Anleger darauf hingewiesen werden müsse, wenn die Möglichkeit eines Teilverlustes besteht. Wurde der Bank oder dem Anlageberater bekannt gemacht, dass die Anlage der Sicherung des Lebensunterhalts dient, ist der Anleger über mögliche Kursverluste aufzuklären.
 
In einer Entscheidung des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien zur Kennzahl 8 C 418/08s wurde ausgesprochen, dass ein Anleger, der über das Risiko eines Teil oder so Teilverlustes nicht hinreichend aufgeklärt wurde, wegen falscher Anlageberatung für den Schaden haften. In diesem Fall ging das Gericht davon aus, dass je spekulativer die Veranlagung und je unerfahrener der Kunde sei, desto weiter reicht die Aufklärungspflicht des Beraters. Ein sich ergebender Schaden richtet sich nach dem Differenzanspruch, d.h. nach dem Vermögensstand des Anlegers, wenn er die Investition nicht getätigt hätte.
 
Problematik der Verjährung
 
In der Entscheidung OGH 6 Ob 103/08b hat der oberste Gerichtshof darauf hingewiesen, dass die Frist zur Verjährung eines Anspruches gemäß § 1489 ABGB erst zu dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der geschädigte den Sachverhalt zu erkennen, dass mit Aussicht auf Erfolg klagen kann. Die Kenntnis musste bei den ganzen anspruchsbegründenden Sachverhalt umfassen, insbesondere auf die Kenntnis des Ursachenzusammenhangs und in Fällen der Verschuldenshaftung auch jene Umstände umfassen, aus denen sich das Verschulden des Schädigers ergibt. Die Verjährungsfrist beginnt jedenfalls dann zu laufen, wenn dem Geschädigten der Schadenseintritt objektiv erkennbar war. Der oberste Gerichtshof hat jedoch bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Verjährungseinrede vom Schädiger nicht erhoben werden kann, sofern dieser durch Beschwichtigungsversuche die Verjährung arglistig eintreten lässt.
 
Problematik der Bemessung des Schadens
 
In der Entscheidung OGH 8 Ob 123/05d hat der OGH ausgesprochen, dass der durch eine fehlerhafte Beratung eingetretene jedoch vorerst nicht feststellbare Schaden, mangels Bezifferbarkeit nicht schlüssig dargelegt werden kann. Bei Verträgen mit langer Laufzeit kann man daher erst nach Ablauf dieser Laufzeit feststellen, ob überhaupt ein Wertverlust liegen zu Kursschwankungen eingetreten ist.
 
Ergebnis
 
Sollte die Bank den Kunden nicht ausreichend über das Risiko einer Veranlagungsform aufgeklärt haben und entgegen dem Risikoprofil Veranlagungen veranlasst haben, die das von Kunden gewünschte Risiko beinhalten, so kann die Bank zum Ersatz für jene Verluste verpflichtet werden, die der Kunde aufgrund der unrichtigen Aufklärung über das enthaltene Risiko der Veranlagungsform erlitten hat. In den bisher vom Obersten Gerichtshof bisher ausjudizierten Gerichtsverfahren stellen sich regelmäßig noch Fragen der Verjährung und über die Bemessung des Eingetretenenschadens. In Ansehung an den Grundsatz, dass der Kunde sowohl den Schädiger als auch das Schadensereignis kennen muss, damit die Verjährungsfrist zu laufen beginnt, gehen die Gerichte davon aus, dass nicht der Zeitpunkt des Einkaufs der Wertpapiere alleine ausschlaggebend ist, sondern auch die Kenntnis über das hohe Risiko derartiger Wertpapierankäufe. Regelmäßig wird ein Kunde erst dann Kenntnis über ein hohes Risiko der Wertpapiere erlangen, wenn solche Papiere hohe Kursverluste erleiden und damit den Schaden bei der Vermögens Veranlagung des Kunden eintreten lassen.
 
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[1] OGH 9 Ob 230/02t; OGH 5 Ob 106/05g
[2] OGH 9 Ob 230/02t
[3] OGH 5 Ob 106/05g; OGH 10 Ob 11/07a
[4] OGH 3 Ob 289/05d
[5] OGH 3 Ob 40/07i; OGH 3 Ob 289/05d
[6] OGH 4 Ob 2/08k; OGH 9 Ob 90/04t; OGH 9 Ob 10/04t; OGH 9 Ob 230/02t