Ist Streaming als Vervielfältigung eine Verletzung des Urheberrechts?

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Ist Streaming als Vervielfältigung eine Verletzung des Urheberrechts?

Donnerstag, 25 Februar, 2016

1. Ausgangslage 
Vor allem die Musikindustrie, aber auch die Filmindustrie, leiden seit Jahren unter einem enormen Rückgang der Verkaufszahlen der Kopien ihrer Werke (auf CD und DVD). Stattdessen boomt der Konsum von Musiktiteln und Filmen, die online zur Verfügung gestellt werden. Dies geschieht über das so genannte „Streaming“, das daher zu einem wesentlichen Wirtschaftsfaktor für die Musik- und Filmindustrie geworden ist.  Ein gutes Beispiel für die Bedeutung von Streaming-Angeboten für die Musikindustrie liefert der schwedische Musikdienst Spotify, der derzeit online Musik für über 28 Millionen Abonnementen zur Verfügung stellt. 

Während die Verkaufszahlen herkömmlicher Datenträger wie CDs oder DVDs drastisch sinken, können sich Onlineanbieter von Streaming Angeboten im Kielwasser des durchschlagenden Erfolges von Youtube über einen regelrechten Boom ihrer Angebote freuen. Umso wichtiger ist es für die Musik- und Filmindustrie, den urheberrechtlichen Schutz ihrer Werke auch im Zusammenhang mit diesen Streaming-Diensten durchzusetzen. Denn: Bei weitem nicht jeder Stream wird mit Zustimmung des Urhebers im Internet zugänglich gemacht.

Es stellt sich daher die Frage, inwiefern Konsumenten, die sich online zur Verfügung gestellte Inhalte ansehen, gegen das Urheberrecht verstoßen und von den Urhebern mit Unterlassungs- oder Schadenersatzklagen belangt werden können. Möglich erscheint dies insbesondere deshalb, da Streaming technisch gesehen eine temporäre Speicherung des urheberrechtlich geschützten Werkes beinhaltet, um dessen Wiedergabe zu ermöglichen. Obwohl eine solche temporäre Speicherung nur für den Zeitraum der Wiedergabe besteht und sofort nach der Wiedergabe des Werkes gelöscht wird, könnte sie möglicherweise dennoch eine Vervielfältigung des Werkes und damit eine Verletzung des Urheberrechts darstellen.

2. Rechtsgrundlage
Zur rechtlichen Beurteilung von derartigen Fällen ist Artikel 5 Absatz 1 der „Info-Richtlinie“ der EU (RL 2001/29/EG) anzuwenden. Dieser Artikel der Info-Richtlinie wurde in Österreich in § 41a des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) deckungsgleich umgesetzt. Danach ist eine vorübergehende Vervielfältigung zulässig (i) wenn sie flüchtig oder begleitend ist und (ii) wenn sie ein integraler und wesentlicher Teil eines technischen Verfahrens ist und (iii) wenn ihr alleiniger Zweck die Übertragung in einem Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler oder eine rechtmäßige Nutzung ist und (iv) wenn sie keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung hat. Alle diese Voraussetzungen müssen kumulativ gegeben sein.

Darüber hinaus legt Artikel 5 Absatz 5 der Info-Richtlinie fest, dass die in Absatz 1 genannten Ausnahmen nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden dürfen, in welchen die normale Verwertung des Werkes nicht beeinträchtigt wird und die berechtigten Interessen der Urheber nicht ungebührlich verletzt werden. 
 
Für die Auslegung und die Anwendung von europäischen Richtlinien ist der Europäische Gerichtshof (EuGH) zuständig. Daher hat der EuGH das letzte Wort, wenn es darum geht, die Frage zu klären, ob das Streaming von urheberrechtlich geschützten Werken zulässig ist.

3. Streaming von rechtmäßigen Inhalten
Der EuGH hat sich bereits mit der vorübergehenden Vervielfältigung beim Streaming von Inhalten, die mit Zustimmung des Urhebers angeboten wurden, auseinander gesetzt. Mit Urteil vom 5. Juni 2014 (C-360/13) hat der EuGH bezüglich der vorübergehenden Speicherung eines urheberrechtlich geschützten Werkes im Zuge des Streamings wie folgt entschieden: 

a.    Die vorübergehende Kopie ist flüchtig, weil die Dauer der Speicherung auf das für das einwandfreie Funktionieren des Streamings notwendigen Zeitraum beschränkt ist und die Daten danach automatisch gelöscht werden;  und
b.    die vorübergehende Kopie ist ein wesentlicher Teil des technischen Verfahrens des Streamings, da nach dem Stand der Technik solche Kopien für das einwandfreie und effiziente Streaming erforderlich sind.

Der EuGH hielt im Ergebnis fest, dass das Streaming von rechtmäßig online angebotenen Inhalten auch ohne Zustimmung des Urhebers zu jedem einzelnen Stream zulässig ist, da die Ausnahmebestimmungen des Artikels 5 Absatz 1 der Info-Richtlinie vorliegen und die vorübergehende Kopie einen Sonderfall darstellt, der die normale Verwertung des Werkes und die berechtigten Interessen des Urhebers nicht beeinträchtigt. Dies insbesondere deshalb, weil die Urheber dem Onlineangebot der Inhalte zugestimmt hatten und es deshalb nicht gerechtfertigt ist, von den Nutzern zu verlangen, eine (weitere) Zustimmung zum Streaming einzuholen.

4. Streaming von illegalen Inhalten
Während der EuGH in Bezug auf das Streaming von rechtmäßig angebotenen Inhalten also bereits die Zulässigkeit bejaht hat, stellt sich die Frage, ob dies auch für Inhalte gilt, die ohne Zustimmung der Urheber und somit rechtswidrig angeboten werden. 

Diese Frage hat ein niederländisches Gericht dem EuGH am 5. Oktober 2015 zur Vorabentscheidung vorgelegt. Insbesondere wird dabei die Voraussetzung zu prüfen sein, ob der alleinige Zweck der vorübergehenden Speicherung eine rechtmäßige Nutzung ist. Außerdem könnte der so genannte „Drei Stufen Test“ des Artikels 5 Absatz 5 der Info-Richtlinie zu einem wesentlich anderen Ergebnis führen, wenn die Inhalte ohne Zustimmung des Urhebers online angeboten werden. 
Bei der Entscheidung der Frage, ob die Urheber bei illegalen Streaming-Angeboten auch die Internetnutzer in Anspruch nehmen können, wird auch eine delikate Abwägung der Interessen und Schutzbedürfnisse vorzunehmen sein. Einerseits benötigen die Urheber zur Durchsetzung ihrer Rechte effektive rechtliche Möglichkeiten inklusive solcher, die Nutzer von offensichtlich illegalen Streaming Portalen abschrecken. Andererseits kann von dem Durchschnittnutzer nicht verlangt werden, dass er abschließend beurteilen kann, ob ein angebotener Stream rechtmäßig ist. 

Kommt der EuGH zum Ergebnis, dass die Ausnahmebestimmung auch für illegale Streams anwendbar ist, käme dies einem Freibrief der Nutzer zum Streaming illegaler Inhalte ohne jegliche Prüfpflicht gleich. Wenn der EuGH allerdings entscheidet, dass das Streaming von illegalen Angeboten jedenfalls, also auch wenn die Unrechtmäßigkeit für den Nutzer nicht erkennbar ist, eine Verletzung des Urheberrechts darstellt und zivilrechtliche Ansprüche der Urheber gegen die Nutzer nach sich zieht, würde dies eine erhebliche Verunsicherung der Internetnutzer bedeuten. 

Die diesbezügliche Entscheidung des EuGH, mit der in den nächsten Monaten zu rechnen ist, wird daher mit Spannung erwartet. 

Zusammenfassung:

Das illegale, also ohne Zustimmung des Urhebers erfolgte, Anbieten von urheberrechtlich geschützten Werken zum Streaming verstößt gegen das Urheberrecht. Die Urheber können daher gegen die Anbieter solcher Dienste mit Unterlassungs- und Schadenersatzklagen vorgehen. Ob die Urheber auch direkt gegen die Nutzer solcher Angebote vorgehen können, ist Gegenstand eines Verfahrens vor dem europäischen Gerichtshof, der eine delikate Abwägung der Interessen und Schutzbedürfnisse der Urheber und Nutzer vornehmen muss. Gerade im Zeitalter boomender Streaming Angebote wird die Entscheidung weitreichende Konsequenzen haben und wird mit Spannung erwartet.