Europäischer Gerichtshof verurteilt Republik Österreich

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Europäischer Gerichtshof verurteilt Republik Österreich

Dienstag, 20 März, 2018

Österreich hat gegen die Richtlinien über die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge verstoßen, indem die Staatsdruckerei ohne Ausschreibung beauftragt wurde.

Die europäischen Richtlinien über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (92/50/EWG und 2004/18/EG) bestimmen, dass die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen unter Beachtung der europäischen Grundfreiheiten erfolgt und setzten daher voraus, dass der europäische Wirtschaftsraum für Ausschreibungen berücksichtigt wird. Es ist eine der Grundfesten der Europäischen Union, dass keine oder möglichst wenig nationale Vorgaben im Wirtschaftsbereich erstellt werden und der europäische Wirtschaftsraum ohne Grenzen angesehen wird. Nach den europäischen Richtlinien ist eine Ausschreibung bereits ab einem geschätzten Auftragswert von etwa € 162.000 erforderlich und verpflichtet auch die österreichischen Behörden vor Vergabe von Aufträgen mit einem Wert über den gesetzten Grenzen, ein entsprechendes Ausschreibungsverfahren durchzuführen.

Nach mehrfachen Hinweisen hat die Europäische Kommission im Jahr 2016 die Republik Österreich wegen Verletzung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit sowie der Richtlinien über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge geklagt. In einem mehrjährigen Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (C-187/16) hat die Generalanwältin Juliane Kokott bereits im Sommer 2017 den Standpunkt vertreten, dass Österreich ungerechtfertigterweise die Österreichische Staatsdruckerei direkt mit dem Druck von Ausweispapieren beauftragt hat, ohne zuvor eine Ausschreibung durchzuführen. In dem Urteil vom 20. März 2018 hat der Europäische Gerichtshof diese Rechtsansicht nunmehr bestätigt und die Republik Österreich verurteilt, die Direktvergabe von Aufträge an die Staatsdruckerei zu beenden und jedenfalls im Sinne der europäischen Richtlinien vor Vergabe eines Dienstleistungsauftrags eine Ausschreibung vorzunehmen. Österreich ist nunmehr angehalten, bei dem Druck von Reisepässen, aber auch bei der Errichtung eines Systems für digitale Ausweise eine europaweite Ausschreibung vorzunehmen.

Österreich hat sich in dem Verfahren auf den Schutz wesentlicher Interessen der nationalen Sicherheit berufen, weshalb eine europaweite Ausschreibung unterblieben sei. Nach der Auffassung der österreichischen Vertreter ist insbesondere der Druck von Ausweispapieren sicherheitspolitisch derart sensibel, dass ein solcher Auftrag nicht außer Landes gegeben werden kann, da vor allem eine verwaltungsbehördliche Kontrolle des beauftragten Unternehmens nicht gewährleistet werden kann. Der europäische Gerichtshof hat zwar die Sicherheitsbedenken Österreichs durchaus akzeptiert: Ein Mitgliedstaat muss jedoch nachweisen, dass eine europaweite Ausschreibung dem Erfordernis des Schutzes solcher Interessen nicht hätte gerecht werden können, um eine Direktvergabe erfolgreich zu rechtfertigen. Das Argument, dass eine zentralisierte Beauftragung von nur einem Unternehmen zum Schutz wesentlicher nationaler Sicherheitsinteresse notwendig sei, überzeugte den europäischen Gerichtshof ebenso wenig, wie das Erfordernis der Versorgungssicherheit. Nach Ansicht des europäischen Gerichtshofs hindert die Durchführung eines Auftragsvergabeverfahrens weder an einer zentralisierten Beauftragung von nur einem Unternehmen, noch ist die Sicherstellung der Versorgungssicherheit durch andere im europäischen Wirtschaftsraum ansässige Unternehmen unmöglich.

Die Republik Österreich konnte im gegenständlichen Verfahren auch nicht nachweisen, dass eine Kontrolle der Wahrung der Vertraulichkeit der mitgeteilten Informationen weniger gut durch zivilrechtliche Mittel gewährleistet wäre als durch eine verwaltungsbehördliche Kontrolle. Nach Ansicht des europäischen Gerichtshofes können im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung durchaus genügend sicherheitspolitische Vorgaben eingefordert werden: Demnach kann Österreich in einer Ausschreibung vorsehen, dass Sicherheitskontrollen, Besuche und Prüfungen in den Räumlichkeiten des Unternehmens zuzulassen sind sowie besonders hohe technische Vertraulichkeitsanforderungen im Rahmen der Ausführung der Aufträge einzuhalten sind. Entgegen den Schlussanträgen der Generalanwältin Juliane Kokott ist es nach Ansicht des Gerichtshofs jedoch unzulässig, die Ausführung derartiger Aufträge von einer inländischen Betriebsstätte aus zu verlangen.

Im Hinblick auf die Vertrauenswürdigkeit der Auftragnehmer hielt der europäische Gerichtshof fest, dass grundsätzlich auch andere Unternehmen als die österreichische Staatsdruckerei die Vertraulichkeit der übermittelten Daten gewährleisten können. Ein Ausschluss von Bewerbern, die keine ausreichenden Garantien für eine Geheimhaltungspflicht gegenüber staatlichen Behörden anderer Mitgliedstaaten bieten können, ist nach dem europäischen Gerichtshof aber ebenso zulässig, wie das Vorsehen von Sanktionen im Fall der Verletzung der Geheimhaltung. Sicherheitspolitisch billigt der Europäische Gerichtshof daher Österreich und den übrigen Mitgliedstaaten zu, dass bei der Vergabe von Aufträgen, die eine Übermittlung von hochsensiblen Daten beinhalten, hohe Anforderungen an die Vertrauenswürdigkeit der Auftragnehmer gestellt werden können.

Aufgrund der klaren Anweisung des europäischen Gerichtshofes wird Österreich nunmehr auch vor der Vergabe von Aufträgen, die eine Übermittlung von sensiblen personenbezogenen Daten erfordern oder den Druck von Ausweispapieren betreffen, Ausschreiben durchführen müssen. Es ist zu wünschen, dass ein derartiges Vergabeverfahren gemeinsam mit dem von der Regierung bereits mehrfach proklamierte Erstellung von digitalen Ausweisen durchgeführt wird. Die erforderlichen Qualifikationen für die Verarbeitung der sensiblen personenbezogenen Daten und die damit verbundenen Sicherheitsauflagen können sowohl in einer neuen gesetzlichen Regelung als auch in einer individuellen Ausschreibungsunterlage definiert werden. Den Vorgaben des europäischen Gerichtshofes zur Folge wird die Republik Österreich und damit wohl das Innenministerium oder das Digitalisierungsministerium in den nächsten Monaten eine entsprechende Ausschreibung vornehmen müssen.

Dr Christoph Kerres LLM (Georgetown)

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