EU treibt Sammelklagen wieder voran

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EU treibt Sammelklagen wieder voran

Dienstag, 2 November, 2010

Die Europäische Kommission nimmt einen neuen Anlauf zur Einführung von Sammelklagen in das europäische Recht. In einem gemeinsamen Papier der Kommissare Viviane Reding (Justiz), Joaquín Almunia (Wettbewerb) und John Dalli (Verbraucherschutz) heißt es, wenn mehrere Verbraucher oder Unternehmen durch einen Rechtsverstoß desselben Unternehmens einen Schaden erlitten, sollten sie künftig ihre Rechtsansprüche in einer gemeinsamen Zivilklage bündeln können. Denkbar seien sowohl Schadenersatz- als auch Unterlassungsklagen. Die derzeitigen Möglichkeiten, gegen Rechtsverstöße vorzugehen, reichten nicht aus. Bislang obliegt es vor allem der Kommission, solche Verstöße zu verfolgen.

 

Die Kommissionsmitglieder werden das Papier an diesem Mittwoch diskutieren. Danach soll ein Konsultationsverfahren eingeleitet werden, wie es vor der Vorlage eines EU-Gesetzesvorschlags üblich ist.

Die Idee von Sammelklagen ist ein seit langem strittiges Thema. Schon 2007 hatten die damals zuständigen Kommissarinnen Neelie Kroes (Wettbewerb) und Meglena Kuneva (Verbraucherschutz) Gesetzesvorschläge angekündigt, allerdings – anders als jetzt – getrennt voneinander. Schon damals war das Vorhaben auf scharfe Kritik in mehreren Mitgliedsstaaten und im Europaparlament gestoßen. Als Hauptgegner gelten unverändert Deutschland und Frankreich. Der damalige Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hatte vor einem guten Jahr Widerspruch im Ministerrat angekündigt. Die Europaparlamentarier hatten zudem bemängelt, dass sie am Gesetzgebungsprozess teilweise nicht beteiligt gewesen wären. Vor dem Hintergrund dieser Kritik hatte Barroso 2009 die Pläne auf Eis gelegt, weil er damals um seine Bestätigung als Kommissionspräsident fürchten musste.

 

Zivilklagen von Geschädigten sind in verschiedenen Mitgliedsstaaten, darunter auch Deutschland, prinzipiell schon jetzt möglich, auch solche, die auf einem gemeinsamen Vorgehen der Kläger beruhen (Kollektivklagen). Die EU-Kommission begründet ihren jüngsten Vorstoß indes vor allem damit, dass die unterschiedlichen Regelungen in den Staaten zu einer unterschiedlichen Rechtsanwendung und damit zu Wettbewerbsverzerrungen führen können. In dem Papier wird beteuert, die Kommission wolle eine „Klageindustrie“ nach amerikanischem Vorbild vermeiden. Es bleibt allerdings offen, wie sich das sicherstellen lässt.

 

Die Sorgen der Wirtschaft richten sich vor allem auf die mögliche Gefahr, dass wie in Amerika Verbandsklagen („Opt Out“) möglich werden. Dieses Modell bedeutet, dass Kollektivklagen erhoben werden können, ohne dass sich einzelne Opfer ihnen ausdrücklich anschließen müssen. Wie es in Brüssel heißt, sind vor allem Reding und Almunia uneins darin, ob die Kommission am Ende ein Opt-Out-Modell oder „nur“ Gruppenklagen vorschlagen soll, denen sich mögliche Opfer ausdrücklich anschließen müssen. Während der Spanier das Opt-Out-Modell seiner Vorgängerin Kroes weiterverfolgen will, tritt die Luxemburgerin aus Rücksicht auf das nationale Zivilrecht auf die Bremse.