Gültigkeit eines Verjährungsverzichtes

Drucken
Gerichtsbeschluss

Gültigkeit eines Verjährungsverzichtes

Donnerstag, 14 April, 2016

1. Einleitung

Oftmals wird in Streitigkeiten über einen zivilrechtlichen Anspruch zwischen dem Gläubiger des Anspruches und dem Schuldner ein sogenannter „Verjährungsverzicht“ vereinbart. Damit soll in vielen Fällen eine Klagsführung des Gläubigers vermieden werden oder zB die Zeit vor Ablauf der Verjährungsfrist für die Verhandlung einer vergleichsweisen Lösung der Streitigkeit verlängert werden. In Lehre und Judikatur herrscht nun aber Uneinigkeit darüber, ob ein solcher „Verjährungsverzicht“ gültig ist, und welche Konsequenzen sich aus der Nichteinhaltung eines solchen Verzichtes ergeben.

2. Gesetzliche Grundlagen

Gemäß § 1501 ABGB ist ohne Einwendung der Parteien auf die Verjährung eines Anspruches von Amts wegen nicht Bedacht zu nehmen. Das bedeutet, dass das über einen Anspruch entscheidende Gericht nur dann prüft, ob der geltend gemachte Anspruch bereits verjährt ist, wenn eine der Parteien (in der Regel der Beklagte) dies einwendet.

In einem „Verjährungsverzicht“ wird nun in der Regel genau darauf abgestellt und schriftlich vereinbart, dass der Schuldner im Falle der Klagsführung durch den Gläubiger auf den Einwand der Verjährung verzichtet.

Nach § 1502 ABGB kann dem Einwand der Verjährung aber weder im Voraus entsagt werden, noch kann eine längere Verjährungsfrist, als durch die Gesetze bestimmt ist, bedungen werden.

3. Zweck des § 1502 ABGB

Grund für die Einführung des § 1502 ABGB war dabei wohl, den Schuldner eines Anspruches vor Übervorteilung durch den möglicherweise wirtschaftlich stärkeren Gläubiger zu schützen. Durch die Einschränkung der jederzeitigen Möglichkeit zur Abgabe eines Verjährungsverzichtes sollte der Schuldner offenbar vor einer übereilten und für ihn letztlich nachteiligen Verfügung über die ihm durch die Verjährungsregeln zugebilligte Rechtsposition bewahrt werden.

Warum der Gesetzgeber dabei allerdings eine Unterscheidung der Gültigkeit der Abgabe eines Verjährungsverzichtes vor bzw nach Ablauf der Verjährungsfrist traf ist nicht nachvollziehbar. Der Schuldner, welcher die Abgabe eines Verjährungsverzichtes überlegt, bzw mit dem Gläubiger darüber verhandelt, ist sich ohne Zweifel der sich daraus ergebenden Konsequenzen bewusst. Darüber hinaus hat die Praxis gezeigt, dass die Abgabe eines Verjährungsverzichtes vor dem Ablauf der Verjährungsfrist auch im Interesse des Schuldners sein kann. Dieses Interesse kann zB darin liegen ein präjudizielles Verfahren abwarten zu wollen bevor der Gläubiger Klage erhebt oder auch darin, dass aufgrund eines besonders komplizierten Sachverhaltes mehr Zeit für die Prüfung etwaiger Ansprüche nötig ist. Auch reine Kostengründe können bei der Überlegung der Abgabe eines Verjährungsverzichtes eine Rolle spielen.

Nach einigen Lehrmeinungen dient der § 1502 ABGB lediglich dazu, die mit dem Institut der Verjährung geschaffene Grenze der Rechtsausübung, welche zur Entlastung der Gerichte und zur Einhaltung des Rechtsfriedens dient, nicht durch Parteienvereinbarung auszuhöhlen.

4. Ungültiger Verzicht im Voraus

Aus der Bestimmung des § 1502 ABGB folgt, dass der Schuldner „im Voraus“ nicht auf die Einrede der Verjährung gültig verzichten kann. Was „im Voraus“ bedeutet wird dabei von Rechtsprechung und Lehre unterschiedlich beurteilt. 

Ein vor Ablauf der Verjährungsfrist abgegebener Verzicht auf die Einrede der Verjährung ist nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes jedenfalls ungültig, doch kann einer, trotz abgegebenen Verjährungsverzicht erhobener Verjährungseinrede Arglist entgegengehalten werden. Der Oberste Gerichtshof vertritt sohin die Meinung, dass ein Schuldner, welcher vor Ablauf der Verjährungsfrist einen Verjährungsverzicht abgegeben hat, von diesem jederzeit zurücktreten kann. Geschieht dies nach Ablauf der Verjährungsfrist, muss der Gläubiger sodann innerhalb angemessener Frist seinen Anspruch gerichtlich geltend machen, um behaupten zu können, der Schuldner habe Arglistig gehandelt.

In der Lehre und Literatur wird aber vereinzelt auch die Meinung vertreten, dass sich die Wortfolge „im Voraus“ nicht auf den Zeitpunkt des Eintrittes der Verjährungsfrist bezieht, sondern auf den Zeitpunkt des Entstehens des Anspruches. Folgt man dieser Ansicht, wäre ein Verjährungsverzicht auch vor Ablauf der Verjährungsfrist gültig und würde den Schuldner binden. Die überwiegende Lehre sieht diese Meinung allerdings kritisch und meint ein solcher Wortsinn könne dem historischen Gesetzgeber nicht unterstellt werden.

Darüber hinaus wird in der Lehre auch die Ansicht vertreten, dass der in Folge der Erhebung der Verjährungseinrede trotz Abgabe eines Verjährungsverzichtes erhobene Einwand der Arglist nicht für Parteien zur Anwendung gelangen dürfe, welche beide in Kenntnis der Bestimmung des § 1502 ABGB eine schriftliche Vereinbarung über einen Verjährungsverzicht abgegeben haben.

Nachständiger Rechtsprechung (zuletzt OGH vom 16.10.2015, 7 Ob 153/15y) verstößt die Verjährungseinrede aber jedenfalls gegen Treu und Glauben, wenn das Firstversäumnis des Gläubigers auf ein Verhalten des Schuldners zurückzuführen ist. Es wird darauf abgestellt, dass die Heranziehung des Treu-und-Glauben-Grundsatzes als Ultima Ratio jedenfalls in Betracht kommt, wenn sich keine anderen Lösungen des dargestellten Problems der Erhebung eines Verjährungseinwandes trotz Abgabe eines Verjährungsverzichtes anbieten.

5. Verzicht im Nachhinein

Die Abgabe eines Verjährungsverzichtes nach dem Ablauf der Verjährungsfrist wird von der Regelung des § 1502 ABGB nicht erfasst. Der Verzicht auf die Einwendung der bereits eingetretenen, also in ihrem vollen Wert erkennbaren Verjährung ist daher wirksam und bindend. Da der nachträgliche Verzicht auf die Verjährungseinrede nicht gegen § 1502 ABGB verstößt und somit für beide Vertragsparteien bindend ist, kann ihn der Schuldner nicht einseitig widerrufen. Ein Verjährungsverzicht nach Ablauf der Verjährungsfrist kann nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nur mit Zustimmung des Berechtigten zurückgenommen werden.

6. Verlängerung der Verjährungsfrist

Ebenso wie der Vorwegverzicht auf die Verjährungseinrede ist auch die vertragliche Verlängerung der gesetzlichen Verjährungsfristen grundsätzlich unwirksam. Das gilt generell für alle privatrechtlichen Verjährungsbestimmungen, also nicht nur für die lange Regelverjährung der §§ 1478, 1479 AGBG, sondern auch für kürzere Fristen innerhalb und außerhalb des ABGB. Manche Ausnahmebestimmungen lassen allerdings eine Fristverlängerung ausdrücklich zu (§ 933 Abs 1 Satz 3 ABGB; § 414 Abs 1, §§ 423 und 439 UGB).

7. Verkürzung der Verjährungsfrist

Die Vereinbarung einer kürzeren als der gesetzlichen Verjährungszeit ist grundsätzlich in den allgemeinen Wirksamkeitsgrenzen zulässig. Das folgt nach Ansicht der Lehre aus einem Umkehrschluss aus der Verbotsnorm des § 1502 ABGB. Eine Verkürzungsabrede kann dabei zb in Allgemeinen Geschäftsbedingungen erfolgen, wobei aber stets die Einschränkungen der §§ 864a und 879 ABGB zu beachten sind.

Da die Vereinbarung einer erheblichen Verkürzung der Verjährungsfrist hat aber erhebliche Auswirkungen hat, sind Regelungen, die dazu führen, dass die Geltendmachung des Anspruches de facto Ausgeschlossen wird von der Rechtsprechung als Sittenwidrig eingestuft worden. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist die Fristverkürzung immer dann sittenwidrig, wenn sie die Anspruchsdurchsetzung ohne sachlichen Grund übermäßig erschwert. Dem Berechtigten muss nach Meinung des Obersten Gerichtshofes stets genügend Zeit bleiben, allenfalls fehlende Unterlagen zu beschaffen, notwendige Erkundigungen über die Rechtslage einzuziehen und sich die zur gerichtlichen oder außergerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche notwendigen und zweckdienlichen Schritte entsprechend zu überlegen.

Neben den Grenzen der Sittenwidrigkeit zur Verkürzung von Verjährungsfristen gibt es aber auch gesetzliche Bestimmungen, welche eine Verkürzung ausschließen. Zu erwähnen ist dabei unter anderem:

  • Verkürzung der Schadenersatzverjährung (§ 1489 ABGB) zulasten eines Verbrauchers (§ 6 Abs 1 Z 9 KSchG);
  • verjährungsverkürzende Vereinbarungen im Bereich der Arbeitskräfteüberlassung (§ 11 Abs 2 Z 5 AÜG).
  • Abkürzung der arbeitsrechtlichen Verfallsfristen des § 34 AngG und des § 1162d ABGB