Besonderheiten des Schiedsverfahrens

Drucken
Schiedsgericht

Besonderheiten des Schiedsverfahrens

Montag, 27 Februar, 2017

Neben den staatlich organisierten Gerichten der einzelnen Länder existiert für zivilrechtliche Streitigkeiten eine zweite Säule bzw eine zweite Möglichkeit, diese Streitigkeiten in einem gerichtlichen Verfahren final und bindend entscheiden zu lassen. Diese Art der Konfliktbereinigung ermöglicht den Konflikt­parteien einen größeren Entscheidungs­spielraum bezüglich der wesentlichen Para­meter der Konfliktlösung, wie zum Beispiel das anzuwendende Recht, das anzuwendende Verfahrensrecht und das zur Entscheidung der Streitigkeit befugte Tribunal.

Die meisten dieser schiedsgerichtlichen Verfahren werden von international anerkannten Schiedsgerichten durchgeführt. Zu erwähnen sind aufgrund ihrer Größe insbesondere:

(i) das Schiedsgericht des International Chamber of Commerce (ICC);

(ii) die China International Economic and Trade Arbitration Commission (CIETAC);

(iii) das International Centre for the Settlement of Investment Disputes (ICSID) und

(iv) das Shanghai International Arbitration Center (SHIAC)

Diese international anerkannten Schieds­gerichte haben ihre eigenen Verfahrensregeln bezüglich der Einleitung und der Durchführung der Schiedsverfahren sowie hinsichtlich der Entscheidungsfindung durch den oder die bestellten Schiedsrichter. Die Verfahrens­bestimmungen der international anerkannten Schiedsgerichte sind sämtlich dispositiv. Das bedeutet, dass die Parteien des Schieds­verfahrens die Verfahrensordnung für ihr Schiedsverfahren sowie das auf den Konflikt anzuwendende Recht selbst bestimmen können, wenn sie diesbezüglich eine Einigung erzielen.

1. Besonderheiten im schiedsgerichtlichen Verfahren

Wichtige Besonderheiten eines Schieds­verfahrens sind vor allem

(i) die Durch­setzbarkeit von internationalen Schieds­sprüchen,

(ii) die rasche und (so gut wie) endgültige Entscheidung einer Streitigkeit sowie

(iii) die Neutralität der Schiedsrichter und des Schiedsgerichts

Zur Durchsetzbarkeit von Schiedssprüchen

Anders als ein Urteil eines ordentlichen Gerichts zB in Österreich, das in vielen Ländern aufgrund fehlender bilateraler oder inter­nationaler Vereinbarungen kaum durchgesetzt werden kann, sind Schieds­sprüche nach der New Yorker Konvention in der Regel vollstreckbar. Mehr als 148 Staaten haben die “Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards“ weltweit unterzeichnet. Nach diesem multilateralen Staatsvertrag können Schieds­sprüche in jedem Mitgliedsstaat vollstreckt werden. Das bedeutet, dass Schiedssprüche international anerkannter Schiedsgerichte in wesentlich mehr Staaten exekutiv durchgesetzt werden können als Urteile ordentlicher staatlicher Gerichte.

Zur raschen und endgültigen Entscheidung durch ein Schiedsgericht

Schiedsgerichte entscheiden in der Regel endgültig und bindend. Eine zweite Instanz zur Überprüfung eines Schiedsspruches ist nicht vorgesehen. Dies führt unter anderem dazu, dass die Konfliktparteien durch ein schieds­gerichtliches Verfahren eine rasche und endgültige Entscheidung der Streitigkeit erreichen können. Im Gegensatz zu Verfahren vor den ordentlichen staatlichen Gerichten, in welchen eine zweite Instanz und meist noch eine dritte Instanz vorgesehen sind, bedeutet dies eine konzentriertere und schnellere Abwicklung der Streitigkeit. Die Konfliktparteien können dadurch schneller eine bindende Entscheidung ihrer Streitigkeit erreichen.

Die Kehrseite der Medaille liegt auf der Hand: Eine Überprüfung eines für eine Konfliktpartei negativen Urteils des Schiedsgerichts ist einer Überprüfung durch weitere Entscheidungs­träger der Schiedsgerichtsbarkeit oder der ordentlichen staatlichen Gerichtsbarkeit weit­gehend entzogen. Nach den Verfahrens­ordnungen der verschiedenen Länder können Schiedsurteile nur in sehr eingeschränktem Umfang angefochten werden. Eine inhaltliche Kontrolle durch eine zweite Instanz ist weitestgehend ausgeschlossen, denn die ordentlichen staatlichen Gerichte können Schiedsurteile nur aufheben, jedoch nicht abändern. Diese Möglichkeit der Aufhebung von Schiedsurteilen ist äußerst beschränkt.

Gemäß § 611 ZPO kann ein Schiedsspruch in einem schiedsgerichtlichen Verfahren zB nur dann aufgehoben werden, wenn

(i) keine gültige Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien getroffen wurde;

(ii) eine Partei vom Schiedsverfahren nicht gehörig in Kenntnis gesetzt wurde und daher ihre Angriffs- und Verteidigungsrechte nicht geltend machen konnte oder

(iii) das Schiedsverfahren in einer Weise durchgeführt wurde, die den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung widerspricht (ordre public)

Zur Neutralität der Schiedsgerichte

Viele Unternehmen möchten sich bei internationalen Streitigkeiten nicht einem möglicherweise befangenen nationalen Gericht unterwerfen. Dies gilt im Besonderen immer dann, wenn ein Anspruch gegen einen Staat gerichtet ist oder sich das Unternehmen gegen einen Anspruch eines Staates zur Wehr setzen muss. Fairer und neutraler entscheidet hierbei in der Regel ein mit internationalen Experten besetztes Schiedsgericht. Dies ist ins­besondere dann der Fall, wenn es sich um Staaten handelt, deren nationale Gerichte von der Legislative und Exekutive eines Staates abhängig und somit befangen sind.

2. Rechtliche Basis

Die rechtliche Basis für die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts zur Entscheidung über einen Rechtsstreit ist zwingend eine schriftliche Vereinbarung der Parteien. Eine solche Vereinbarung erfolgt zumeist in einem zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrag. Die schriftliche Zustimmung zu der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts kann ein Staat jedoch auch in einem Gesetz oder einem internationalen Abkommen erteilen.

3. Verfahrensbestimmungen – formal­rechtliche Basis

Die formalrechtliche Basis für die Verfahrensabwicklung bei Schiedsverfahren wird in den Verfahrensbestimmungen der verschiedenen internationalen Schiedsgerichte festgelegt, von welchen es eine unüberschaubare Anzahl gibt. Wie oben bereits angesprochen, sind diese Verfahrens­bestimmungen meist dispositiv, das heißt durch Parteienvereinbarung abänderbar. Darüber hinaus sind die Verfahrensbestimmungen der internationalen Schiedsgerichte sehr allgemein gehalten und dienen eher als „Richtschnur“, an welcher sich das Tribunal und die Parteien hinsichtlich des Verfahrensrechts orientieren können. Dennoch ist es unabdingbar, dass entweder ein bestehendes Zivilverfahrensrecht eines Staates für anwendbar erklärt wird oder die Parteien sich – spezifisch für ihr Schieds­verfahren – auf bestimmte Verfahrens­regeln einigen.

Die Parteien können daher ihre eigenen Verfahrensregeln machen, solange sie über diese Verfahrensregeln Einigkeit erzielen. Dies kann durch eine Vereinbarung der Parteien im Vorfeld des Schiedsverfahrens geschehen oder von den Parteien eines Vertrags bereits in der Schiedsklausel vorgesehen werden.

Bei den Verfahrensregeln im schieds­gerichtlichen Verfahren handelt es sich insbesondere um die Zusammensetzung und personelle Besetzung des Tribunals; den Ort und die Verfahrenssprache des schieds­gerichtlichen Verfahrens; die Bestimmungen über die Erstattung des Vorbringens und die Präsentation von Beweisen durch die Parteien; die wesentlichen Verfahrensabschnitte (gibt es Vorfragen? Kann ein Zwischen- oder Teilurteil gefällt werden? etc.) sowie die Bestimmungen über den Ablauf der schiedsgerichtlichen Verhandlungen.

Zusammenfassung

Die Vereinbarung der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts sollte von den Parteien eines Vertrags vorab genau durchdacht werden. Die Vorteile eines Schiedsgerichts sind die bessere internationale Durchsetzbarkeit von Schieds­urteilen, eine raschere Abwicklung und bindende Entscheidung einer allfälligen Streitigkeit und die höhere Neutralität der Schiedsrichter, die meist international anerkannte Experten im Schiedsrecht sind. Mögliche Nachteile sind die – je nach Streitwert – möglicherweise höheren Verfahrenskosten und das faktische Fehlen der Überprüfbarkeit von Schiedssprüchen durch eine zweite Instanz.